Neutroneneinfang (Bezeichnung in der Kernphysik und Kerntechnik; engl. neutron capture) oder Neutronenanlagerung (Bezeichnung in der Astrophysik) ist im engeren Sinne eine Kernreaktion, bei der ein Atomkern ein Neutron absorbiert, ohne dass dabei Teilchen mit Masse freigesetzt werden. Der Kern gibt die gewonnene Bindungsenergie vielmehr als Gammastrahlung ab. Nach seiner Formelschreibweise – Beispiele siehe unten – wird dieser Reaktionstyp auch n-gamma-Reaktion genannt.[1]
Allerdings werden gelegentlich auch Neutronenreaktionen mit Emission von Masseteilchen als Neutroneneinfang bezeichnet, besonders dann, wenn ihre Anregungsfunktion jener der n-gamma-Reaktionen ähnelt. Dies gilt beispielsweise für die n-alpha-Reaktion an Bor-10, wie etwa die Bezeichnung Bor-Neutroneneinfangtherapie zeigt.
Da das Neutron im Gegensatz zum Proton keine elektrische Ladung trägt und daher vom Atomkern nicht abgestoßen wird, kann es sich ihm auch mit geringer Bewegungsenergie leicht nähern. Der Wirkungsquerschnitt für den Einfang ist sogar im Allgemeinen bei thermischer, also sehr kleiner, Neutronenenergie besonders groß.
In Sternen läuft die Neutronenanlagerung als s- oder r-Prozess ab. Sie spielt in der kosmischen Nukleosynthese eine wichtige Rolle, denn sie erklärt die Entstehung der Elemente mit Massenzahlen oberhalb etwa 60, also der Atome, die schwerer als Eisen- oder Nickelatome sind. Diese können durch thermonukleare Reaktionen, d. h. durch Kernfusion, in Sternen nicht gebildet werden.
In normaler Umgebung auf der Erde freigesetzte Neutronen werden in den allermeisten Fällen, nachdem sie auf thermische Energie abgebremst sind, von Kernen in dieser Weise eingefangen. Technische Anwendungen des Neutroneneinfangs sind beispielsweise: